5 Fakten über langanhaltende Krisen
Und wie wir trotzdem handeln können.
Wir hören, sehen und spüren es überall: Die Welt steckt in der Krise. Politische Machtkämpfe, Konflikte, die ganze Bevölkerungen zermürben, Dürren, gefolgt von zerstörerischen Überschwemmungen, Finanzmittel, die versiegen – all das hinterlässt tiefe Spuren. Krisen ziehen nicht einfach vorbei – sie dauern an, häufen und verfestigen sich – auf Kosten der verletzlichsten Menschen – und bedrohen die Stabilität weltweit. Auch in der Schweiz sind ihre Folgen spürbar. Doch warum zerreissen sie die Welt? Was verbirgt sich hinter dem Begriff «Krise»? Und wie können wir verhindern, in Ohnmacht zu verfallen?
Entdecken Sie fünf Fakten über Krisen – und Wege, wie wir handeln können.
1. Vergessene Krisen machen ihrem Namen alle Ehre
Wenn eine Naturkatastrophe passiert oder ein Krieg ausbricht, erreichen uns schnell Bilder. Sie rufen starke Emotionen hervor, lösen Berichte in den Medien aus und eine Welle der Solidarität. Die Scheinwerfer erlöschen jedoch, sobald der akute Notfall vorbei ist und das Thema «abgehandelt» scheint. Die Finanzierung sinkt, das Interesse schwindet – mit katastrophalen Folgen.
In Bangladesch etwa leben seit der Massenflucht aus Myanmar 2017 über eine Million Rohingya im grössten Flüchtlingslager der Welt. Ihre Situation verbessert sich nicht – und ihr Leid macht längst keine Schlagzeilen mehr. Auch der politische Wille ist erloschen, die weltweiten Finanzmittel sind bald erschöpft. Doch der humanitäre Bedarf ist riesig. Die UNO-Flüchtlingsagentur UNHCR warnte im Juli 2025, dass die grundlegenden Dienstleistungen für die Rohingya im Bangladesch kollabieren könnten, falls keine neuen Finanzierungen gefunden werden.
Mehr als eine Million Rohingya-Flüchtlinge leben weiterhin in Lagern in Bangladesch – ohne Aussicht auf dauerhafte Lösungen.
Auch die Schweiz vergisst schnell: Bis 2028 zieht sie sich aus Bangladesch zurück – dabei brauchen die Rohingya-Flüchtlinge und auch die lokale Bevölkerung dringend Unterstützung. Rund 1,7 Millionen Kinder sind in Kinderarbeit gefangen, viele Menschen werden jährlich von Naturkatastrophen getroffen – Folgen des Klimawandels, für den sie keine Verantwortung tragen. Dieser Rückzug und die finanziellen Kürzungen drohen, das Vergessen zu beschleunigen und Tausenden Menschen überlebenswichtige Unterstützung zu entziehen.
2. Klimawandel schürt Krisen
3. Krisen berauben die Ärmsten
Konflikte, klimabedingte Katastrophen, Armut und Ungleichheit zwingen jedes Jahr Millionen Menschen, alles zurückzulassen. 2024 mussten 83,4 Millionen Menschen innerhalb ihres eigenen Landes fliehen. In Mosambik, laut Norwegian Refugee Council 2024 eines der am meisten vernachlässigten Krisengebiete, haben bewaffnete Angriffe und drei Zyklone über 1,4 Millionen Menschen mehrfach vertrieben.
Rangliste der Länder mit den am meisten vernachlässigten Vertreibungskrisen, erstellt vom Norwegian Refugee Council.
Krisen treffen meist jene, die ohnehin ums tägliche Überleben kämpfen. In Myanmar verschärfte ein starkes Erdbeben im März 2025 die Not einer Bevölkerung, die schon durch Militärrepression, Konflikte und fehlenden Zugang zu Trinkwasser, Bildung und medizinischer Versorgung geschwächt war. Auch Syrien leidet noch immer an den Folgen des Erdbebens von 2023 – zusätzlich zu über zehn Jahren Bürgerkrieg.
Und in der Schweiz? Auch hier leiden die Verletzlichsten am stärksten: Während der Covid-19-Pandemie sanken die Einkommen der Haushalte mit weniger als CHF 4’000 monatlich um 20 %, bei jenen mit mehr als CHF 16’000 nur um 8 %. 39 % der ärmsten Haushalte mussten ihre Ersparnisse aufbrauchen. Das reichste 1 % besitzt fast 43 % des gesamten Vermögens, die ärmere Hälfte der Bevölkerung teilt sich knapp 2 %. In Krisenzeiten bedeutet das eine massiv ungleiche Widerstandskraft.
Ihre Meinung interessiert uns!
4. Fehlende Mittel kosten Menschenleben
5. Bekämpfung der Krisen braucht Zeit und Vertrauen
Krisen haben oft weder klaren Anfang noch klares Ende. Sie prägen ganze Generationen: Kinder wachsen in Lagern auf, Familien leben im Krieg, Frauen erleiden geschlechtsspezifische Gewalt. Wirklicher Wandel braucht Zeit und langfristiges Engagement.
In der Ukraine etwa kämpfen viele Kriegsveteraninnen und -veteranen mit Traumata. Gemeinsam mit einer lokalen Organisation bietet Solidar Suisse psychosoziale Unterstützung an. Solche nachhaltigen Veränderungen entstehen nicht durch schnelle Lösungen, sondern durch Vertrauen, Geduld und die Arbeit lokaler Akteure.
In der Ukraine, während der Krieg andauert, ist es entscheidend, die Veteraninnen und Veteranen – oft verletzt und traumatisiert – zu unterstützen, damit sie ihren Platz in der Gesellschaft wiederfinden können.
Dabei spielen Schweizer NGOs eine zentrale Rolle. Mit Fachwissen und langjährigen Partnerschaften stellen sie sicher, dass Unterstützung auch dann weitergeht, wenn die öffentliche Aufmerksamkeit nachlässt. Die Schweiz könnte mit ihrer humanitären Tradition und dem vorhandenen Know-how ein Fundament für nachhaltige und inklusive Antworten schaffen – wenn die Finanzierung gesichert bleibt.
Unser Magazin Soli über andauernde Krisen
Um mehr zu erfahren, entdecken Sie jetzt die neue Ausgabe unseres Magazins «Soli», die den langanhaltenden Krisen gewidmet ist. Darin erfahren Sie mehr über unsere Arbeit zur Unterstützung von Bevölkerungsgruppen, die von Krisen betroffen sind.
Handeln – trotz allem
Angesichts dauerhafter Krisen ist Zusammenarbeit wichtiger denn je. Entscheidungen in den USA, Europa oder der Schweiz wirken sich direkt auf Millionen Menschen aus. Internationale Zusammenarbeit stärken, gegen den Klimawandel vorgehen und die Verletzlichsten schützen – das sind politische Notwendigkeiten. Doch auch jede und jeder Einzelne kann etwas tun: informiert bleiben, über vergessene Krisen sprechen, öffentliche Aufmerksamkeit wachhalten, Hilfsorganisationen unterstützen und sich bei den Behörden für eine stärkere internationale Verantwortung der Schweiz einsetzen.
Solidarität beginnt mit Bewusstsein – und wird wirksam durch kleine und grosse Taten, die zusammengenommen das Leben von Menschen verändern können.