Am 14. Juni ist Frauenstreiktag. Monika Hess von Solidar Suisse spricht über strukturelle Ungleichheiten, Gewalt an Frauen – und die Kraft kollektiven Protests.
«Kollektive Kraft motiviert und mobilisiert»
Warum ist der Frauenstreiktag für dich wichtig?
Mich beeindruckt die enorme Energie, die an diesem Tag spürbar wird – so viele Menschen, die dieselben Anliegen und dieselbe Wut teilen. Diese kollektive Kraft motiviert und mobilisiert, sich für Gleichstellung und gleiche Rechte einzusetzen – auch mich.
Welche Ungleichheiten siehst du in deiner Arbeit bei Solidar Suisse?
Geschlechterungleichheiten sind ein zentrales Thema unserer Arbeit. Weltweit sind Frauen häufiger von Armut betroffen als Männer, arbeiten öfter unter prekären und ausbeuterischen Bedingungen, und der eingeschränkte Zugang zu sexuellen und reproduktiven Rechten hat gravierende Folgen – etwa ungewollte Teenagerschwangerschaften. Ausserdem sind sie öfter von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen und haben seltener Zugang zu Land, Kapital und Produktionsmitteln. Die Liste ist lang und liesse sich noch lange fortsetzen. Trotzdem bleiben die spezifischen Bedürfnisse von Mädchen und Frauen in der internationalen Zusammenarbeit oft zu wenig sichtbar. Am Thema Gewalt an Frauen zeigt sich in welche extremen Konsequenzen diese Ungleichheiten münden: viele Kinder, Jugendliche und Frauen in unseren Einsatzländern erleben sexuelle, physische, psychische oder ökonomische Gewalt, die manchmal tödlich endet. Und dabei wird ihnen von der Gesellschaft auch noch suggeriert, sie seien daran schuld. Es gibt viel zu wenige Präventions- und Hilfsangebote. Das Thema wird gesellschaftlich zu wenig ernst genommen. Das trifft übrigens auch auf die Schweiz zu.
«Jeder und jede kann im Alltag durch kleine, bewusste Handlungen zu mehr Geschlechtergerechtigkeit beitragen.»
Was bedeutet Gendergerechtigkeit konkret für Solidar Suisse?
Für Solidar Suisse bedeutet Gendergerechtigkeit, dass alle – Frauen und Männer, Mädchen und Jungen – gleichberechtigten Zugang zu unseren Projekten haben und in gleichem Masse davon profitieren können. Da jedoch grosse Ungleichheiten bestehen, sind Frauen oft mit zusätzlichen Hürden konfrontiert, die ihnen die Teilnahme an den Projekten erschweren. Diese Hürden müssen gezielt abgebaut werden – das ist nicht immer einfach, aber absolut notwendig und durch Anpassungen an den Projekten auch möglich. Wo immer möglich, gehen wir noch einen Schritt weiter: Gemeinsam mit Frauenrechtsorganisationen hinterfragen wir stereotype Geschlechterrollen und ungleiche Machtverhältnisse – etwa in öffentlichen Kampagnen oder in der Arbeit mit Jugendlichen.
Was müsste sich am dringendsten ändern – in der Schweiz oder weltweit?
Gewalt gegen Frauen ist weitaus verbreiteter, als viele denken – sowohl weltweit als auch in der Schweiz. Viel zu oft wird diese Gewalt individualisiert und als privates Problem oder gar als Schuld der betroffenen Frauen gesehen, anstatt sie als gesellschaftliches Phänomen zu begreifen. Was es braucht, sind gesellschaftliche Anerkennung, verlässliche Daten sowie gezielte Präventions- und Unterstützungsangebote. Zudem ist es notwendig, flächendeckende Präventionsprogramme und gut ausgebildetes Personal bei Polizei, Justiz und Opferschutzstellen zu haben, die betroffene Frauen kompetent und traumasensibel begleiten können.
Was möchtest du Frauen und Männern für ihren Einsatz für mehr Gleichstellung mitgeben?
Ich mag die Idee des Mikrofeminismus: Jeder und jede – Kinder, Jugendliche, Frauen und Männer – kann im Alltag durch kleine, bewusste Handlungen zu mehr Geschlechtergerechtigkeit beitragen.
Schweizweites Programm am 14. Juni 2025
Zürich
15 Uhr,
Start am Bürkliplatz, Route durch die Innenstadt. Weitere Aktivitäten ab 09:00 Uhr.
Bern
16 Uhr,
Besammlung auf der Schützenmatte, Demonstration zum Bundesplatz.
Basel
14 Uhr,
Start am Barfüsserplatz, neue bewilligte Route durch die Stadt.
Luzern
15 Uhr,
Start beim Inselipark, Route durch die Stadt, Rückkehr zum Inselipark.
St. Gallen
16 Uhr,
Start am Kornhausplatz, Route durch die Altstadt zur Grabenhalle.
Aarau
13 Uhr,
Kundgebung auf dem Bahnhofplatz, anschliessende Teilnahme an der Zürcher Demonstration.
Zug
15 Uhr,
Start am Oberen Postplatz, Route durch die Stadt.
Lausanne
15 Uhr,
Start am Place Sainte-Françoise.
Genf 15 Uhr, Start am Parc des Cropettes.
Neuchâtel – La Chaux-de-Fonds 14:00 Uhr, Start der Demonstration auf dem Place de la Gare in La Chaux-de-Fonds.
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