Entwicklungsfinanzierung: Auf Kosten des Globalen Südens
Der Bundesrat hat die lange erwartete Botschaft zur Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2025-2028 verabschiedet. Er ignoriert darin die Resultate der öffentlichen Vernehmlassung komplett und hält an einer Finanzierung des Wiederaufbaus der Ukraine auf Kosten des Globalen Südens fest.
In seinen bisherigen Stellungnahmen hat der Bundesrat die Verschiebungen der Prioritäten in der internationalen Zusammenarbeit (IZA) immer kleingeredet. Man werde die Beiträge an die Ukraine aufgrund des Budgetwachstums kaum spüren, sagte Bundesrat Ignazio Cassis noch an der Medienkonferenz vom 10. April. Die nun publizierte Vorlage spricht jedoch eine ganz andere Sprache: 39% der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit werden in Europa, Nordafrika und im Mittleren Osten ausgegeben. Subsahara-Afrika, wo der versprochene Schwerpunkt der Entwicklungszusammenarbeit liegen sollte, erhält weniger, nämlich 38% der EZA-Mittel. In der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit ist die Verschiebung noch drastischer: Für Europa sind neu 42% der Mittel vorgesehen, während Subsahara-Afrika nur 13% der Mittel erhält. Die Einschnitte auf Kosten der ärmsten Länder sind dramatisch.
Zusätzliche und ausserordentliche Finanzierung nötig
«Hilfe gegen Armut und Not sind dringlicher denn je. Eine ausserordentliche Situation wie der Krieg in der Ukraine braucht ausserordentliche Mittel; die Menschen im Globalen Süden dürfen nicht die Rechnung dafür bezahlen», sagt Andreas Missbach, Geschäftsleiter von Alliance Sud, dem Schweizer Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik.
Gravierend ist auch der prognostizierte Einbruch der öffentlichen Entwicklungsfinanzierung auf nur noch 0.36% des Bruttonationaleinkommens. «Eine solch tiefe Quote – die Hälfte des international vereinbarten, von der Schweiz versprochenen Ziels und der tiefste Stand seit zehn Jahren – ist absolut inakzeptabel und einem reichen Land wie der Schweiz unwürdig», führt Missbach weiter aus.
Die internationale Zusammenarbeit der Schweiz stärken
Angesichts der zahlreichen Krisen und Kriege ist es jetzt mehr denn je angezeigt, dass die Schweiz ihr internationales Engagement ausbaut. «Es ist unfassbar, dass der Bundesrat tatsächlich diesen Schritt geht und Geld für die Entwicklungszusammenarbeit aus Afrika und Asien in den Wiederaufbau der Ukraine umleitet», sagt Felix Gnehm, Geschäftsleiter von Solidar Suisse. «Das führt zum tiefsten Budget für echte Armutsbekämpfung in diesem Jahrtausend. Ausserdem senden diese Kürzungen ein besorgniserregendes Signal über die Prioritäten der Schweiz in der internationalen Zusammenarbeit. Die Einsparungen gefährden jene Fortschritte, die bisher durch unsere Entwicklungszusammenarbeit erzielt wurden.»
Solidar Suisse ist enttäuscht, dass trotz der akuten Krisenlage finanzielle Mittel aus den fragilsten Regionen zugunsten geopolitischer und wirtschaftlicher Interessen umgeleitet werden. Die Ukraine soll selbstverständlich dringend unterstützt werden, jedoch nicht auf dem Buckel der Ärmsten. In ihrer humanitären Tradition muss die Schweiz sicherstellen, dass die internationale Zusammenarbeit weiterhin auf die Bedürfnisse der ärmsten und verletzlichsten Gemeinschaften ausgerichtet bleibt.
«Diese Kürzungen senden ein besorgniserregendes Signal über die Prioritäten der Schweiz in der internationalen Zusammenarbeit. Zudem gefährden die Einsparungen jene Fortschritte, die bisher durch die Entwicklungszusammenarbeit erzielt wurden.»