Ungleichheit ist nicht Schicksal
Interview mit Sabin Bieri, Co-Direktorin Centre for Development and Environment, Universität Bern
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Katja Schurter · 0 Kommentare
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Sabin Bieri erforscht die Ursachen von Ungleichheit. Wir wollten von ihr wissen, wie Ungleichheit Krisen befeuert und was wir dagegen tun können.
Wie fördert Ungleichheit Krisen?
In ungleichen Gesellschaften ist es schlecht bestellt um Kriminalität, Gesundheit, Bildungserfolg. Wer oben steht, ist von Krisen weniger betroffen oder kann sich schützen. Reiche Bürger*innen können die Politik zu ihren Gunsten beeinflussen, was die Ungleichheit wiederum verstärkt.
Wer reich ist, verursacht mehr Emissionen. Von den Auswirkungen betroffen sind besonders die Armen.
Genau. Die Frage ist einerseits, ob westliche Länder eine historische Schuld und eine Kompensationspflicht haben. Zuverlässige Grundlagen für allfällige Kompensationsforderungen zu entwickeln, ist allerdings heikel. Andererseits müssen wir den CO2-Ausstoss schneller senken, damit die Erderwärmung 1,5 Grad nicht überschreitet. Es ist zu einfach, auf Länder wie China und Indien mit ihren grossen Bevölkerungen und fossil betriebenen Industrien zu zeigen. Ausserdem braucht es Know-how- und Technologietransfer.
Wie müssten die Reformen aussehen?
Das Steuersystem muss so umgestaltet werden, dass Staaten und die Internationale Gemeinschaft wieder handlungsfähig werden. Es braucht eine andere Art von Steuern: auf Finanztransaktionen, Daten, Energie, KI, Erbschaften. Die Ideen sind da, wir müssen kluge und – da wird es eng – politisch durchsetzbare Umsetzungen entwickeln.
Ist Ungleichheit genderspezifisch?
Auch dieses Thema ruft nach einer Reform der kapitalistischen Rahmenbedingungen. Die weltweit meist von Frauen geleistete Care-Arbeit wird ausgeblendet – eine völlige Verzerrung der Realität und Ignoranz des grössten Schmiermittels für das kapitalistische System. Wir brauchen einen neuen Arbeitsbegriff.
Was können wir hier in der Schweiz gegen die globale Ungleichheit tun?
Sicherheit über Solidarität zu stellen und gegeneinander auszuspielen – wie in der aktuellen Diskussion zur Aufstockung des Armeebudgets auf Kosten der Entwicklungszusammenarbeit –, ist kurzfristige Symbolpolitik. Krass ungleiche Lebenschancen lösen Konflikte aus, das wird in irgendeiner Form auf uns zurückschwappen.
Unser Magazin Soli
Ungleichheit spaltet die Gesellschaft, verschärft soziale Spannungen und bedroht die Demokratie. In der aktuellen Ausgabe unseres Magazins geht es unter anderem um Gewalt gegen Frauen in Honduras, ausbeuterische Arbeitsbedingungen auf Palmölplantagen in Malaysia; sie beschreibt die Situation von Fabrikarbeiter*innen in Südostasien, den eingeschränkten Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen in Burkina Faso und wie der Klimawandel die Bäuer*innen in Pakistan und Bangladesch betrifft und zu Ungleichheit beiträgt.
Lesen Sie mehr über Ungleichheit in der neuen Soli und erfahren Sie, was wir dagegen tun!
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Katja Schurter
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