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Yolanda Martinez, wie beurteilen Sie die Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus in El Salvador.

Wie ist die Bevölkerung von der Ausgangssperre betroffen?

In El Salvador ist die Mehrheit der Bevölkerung nicht regulär beschäftigt. Die meisten Menschen sind TagelöhnerInnen, BäuerInnen oder selbstständige StrassenverkäuferInnen, die Lebensmittel, Kleidung oder Süssigkeiten verkaufen. Diese Menschen müssen jeden Tag arbeiten, um zu überleben. Während der Ausgangssperre können sie aber fast nicht arbeiten: Sie haben weder Geld noch Nahrungsmittel und können selbst Grundbedürfnisse nicht decken. Ausserdem hat die Regierung seit dem 14. Mai den öffentlichen Nahverkehr verboten.

Die Situation hat sich durch den Wintereinbruch noch verschärft. Zwei Tropenstürme sind über das Land gefegt: «Amanda» und «Cristoba» haben durch Überschwemmungen und Erdrutsche bisher mehr als 20 Todesopfer gefordert. Sie haben auch grosse Sachschäden verursacht, Häuser zerstört und Strassen blockiert.

Wie geht die Arbeit von Solidar Suisse unter diesen schwierigen Bedingungen weiter?

Unsere MitarbeiterInnen arbeiten mehrheitlich im Homeoffice. Wir beobachten die politische, wirtschaftliche und soziale Situation im Land und koordinieren die humanitäre Nothilfe mit der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA). Es finden Online-Meetings mit unseren Partnern statt und Gewaltopfer melden sich via Whatsapp. Ausserdem führen wir Schulungen online durch und setzten unsere Sensibilisierungskampagnen über soziale Netzwerke fort. Auch die Zusammenarbeit mit den Gemeinden können wir dank dem Internet fortführen.

Viele Menschen im Land schwenken jetzt weisse Flaggen. Was bedeutet das?

Zu Beginn der Quarantäne im März gewährte die Regierung Familien ohne formelle Beschäftigung, eine Finanzhilfe von 300 US-Dollar. Doch nur etwa die Hälfte der bedürftigen Familien hat diese Hilfe erhalten. Die BürgermeisterInnen und die Zentralregierung haben Lebensmittel geliefert, aber sie sind nicht in der Lage, die gesamte bedürftige Bevölkerung zu versorgen. Viele Familien, die Hunger leiden, haben jetzt weisse Fahnen in die Fenster gehängt, um Nahrungsmittelhilfe zu erhalten.

Welche Auswirkungen wird die Krise Ihrer Meinung nach langfristig auf das Land haben?

Die Folgen werden sehr schwerwiegend sein. Die Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (ECLAC) erwartet für dieses Jahr eine Rezession von 3%. Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet mit einem Rückgang des BIP von 5,3%.

Eine kürzlich von der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IDB) durchgeführte Studie schätzt, dass die Auswirkungen der COVID-Massnahmen und der wirtschaftlichen Rezession erhebliche Auswirkungen auf die salvadorianischen Haushalte haben werden und die Zahl der Armen um 600.000 zunehmen könnte (El Salvador hat 6,5 Millionen Einwohner). Die IDB schätzt insgesamt 46,4% der Bevölkerung gefährdet sind, davon die Mehrheit Jugendliche und Frauen.

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