Im Gefängnis wegen eines Facebook-Posts

In Asien erschwert die Erosion demokratischer Räume den Kampf für Arbeitsrechte, wie die Geschichte von Soy Sros zeigt, die in Kambodscha wegen eines Facebook-Posts festgenommen wurde.

Am 2. April 2020 verhaftete die kambodschanische Polizei Soy Sros, eine alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, Textilarbeiterin und Gewerkschaftsaktivistin. Sie arbeitete in der Handtaschenfabrik Superl Ltd. in Phnom Penh, die für verschiedene Luxusmarken produziert. Soy Sros hatte am 31. März auf Facebook gegen den Plan des Unternehmens protestiert, mehr als 80 Arbeiter*innen zu entlassen, darunter eine schwangere Frau. Dies geschah zu einem Zeitpunkt, als die ganze Welt unter den ersten Auswirkungen von Covid-19 litt und die Textillieferketten angebots- wie nachfrageseitig unterbrochen waren. Die kambodschanische Regierung gab die Anweisung, die Arbeiter*innen nicht zu entlassen, sondern sie zu stark reduzierten Löhnen weiter zu beschäftigen. Trotzdem strebte Superl Ltd. die Massenentlassung an. Ein Tag nach der öffentlichen Kritik auf Facebook nötigte der Arbeitgeber Soy Sros, ihre Nachricht zu löschen und versuchte gar, sie zu zwingen, eine Erklärung zu unterschreiben, dass sie «Fake News verbreitet habe und ihr Bedauern darüber ausdrücken wolle», was Sros jedoch ablehnte. Tags darauf wurde sie wegen «Anstiftung zu sozialen Unruhen, Verleumdung des Unternehmens und Verbreitung von Fake News» verhaftet. «Die Polizisten fragten mich, ob ich berühmt werden wolle oder ob ich versuche, jemanden aufzuhetzen. Sie beschimpften mich und verletzten meine Würde als Frau», berichtete sie später gegenüber BuzzFeed News.

In Kambodscha kann ein Protest oder ein Beitrag auf Facebook zur Verhaftung führen.

Protest als krimineller Akt

Auch die lokalen Solidar-Partnerorganisationen sind bei ihrer täglichen Arbeit Repressalien und einer starken Überwachung durch die Behörden ausgesetzt. Vielen wird es erschwert, eine legale Registrierung zu erlangen oder aufrechtzuerhalten, indem sie mit einem kaum zu bewältigendem Papierkrieg eingedeckt werden. Dazu kommt, dass jeglicher Protest als «kriminelle Handlung» ausgelegt werden kann. Trotz der Repression finden unsere Partner*innen jedoch innovative Wege, um ihre Arbeit durchzuführen. Zum Beispiel in Malaysia: Die Regierung reagierte empfindlich auf die Berichterstattung über Misshandlungen von Arbeitsmigrant*innen – wegen eines kritischen Berichts hat die Polizei sogar eine Razzia in den Büros von «Al Jazeera» durchgeführt und Journalist*innen verhaftet. Daher haben unsere Partnerorganisationen eine neue Vorgehensweise entwickelt: Sie führten eine detaillierte Untersuchung der Missbräuche gegenüber Arbeitsmigrant*innen durch, veröffentlichten diese jedoch unter dem kollektiven Namen «Koalition der Wanderarbeiter*innen». So konnte die Identität der lokalen Organisationen geschützt werden. Ausserdem wandte sich die Koalition an die staatliche indonesische Menschenrechtskommission (d. h. im Herkunftsland), die selbst weitere Untersuchungen durchführte. Der Bericht wurde in Indonesien veröffentlicht und der malaysischen Menschenrechtskommission zugestellt.

Rede- und Versammlungsfreiheit bleiben der Schlüssel für marginalisierte Gruppen, um sich für ihre Anliegen zu organisieren und «menschenwürmenschenwürdige Arbeit» für alle zu erreichen. Die wachsende Einschnürung der demokratischen Räume weltweit bedroht dieses Engagement. Deshalb ist die Unterstützung von Solidar Suisse bei der internationalen Vernetzung wichtig. So hat im Fall von Soy Sros eine internationale Kampagne zu ihrer Freilassung am 28. Mai geführt. Inzwischen wurde auch die Anklage fallen gelassen.

Dieser Artikel erschien ursprünglich in Ausgabe 1/2021 von unserem Magazin Solidarität.

Zurück nach oben