Soeur Mom ist die lokale Gewerkschaftsführerin von CATU (Cambodian Alliance of Trade Unions) und organisiert die Angestellten in der Fabrik Cambo Handsome Ltd. in Phnom Penh. Ein Engagement, das Mut braucht: Gerade in der aktuellen Zeit, wo die kambodschanische Textilindustrie mit Auftragsrückgängen zu kämpfen hat, ist sie immer wieder mit grossen Repressionen konfrontiert.
Wie in den meisten kambodschanischen Textilfabriken, deren Belegschaft grossmehrheitlich aus jungen Frauen besteht, ist Soeur Moms Engagement als unabhängige Gewerkschafterin dem Arbeitgeber ein Dorn im Auge: «Das Management übt grossen Druck auf uns aus, wir CATU-Mitglieder werden immer wieder beschimpft und schikaniert, zum Beispiel von den Vorgesetzten in der Produktionslinie.» Die 35-jährige erwähnt insbesondere den grossen Produktivitätsdruck. Dieser führt so weit, dass Toilettengänge untersagt werden, weshalb die Arbeiter*innen kaum trinken.
SCHNELLER UND SCHNELLER: DER DRUCK WIRD WEITERGEGEBEN
Wie auch andere Fabriken klagt Soeur Moms Arbeitgeber, der für grosse Marken wie Walmart oder Marks + Spender produziert, über einen Rückgang an Aufträgen. Dieser ist zu einem wesentlichen Teil auf Kambodschas schwindenden Zugang zu Handelspräferenzen mit der EU und den USA zurückzuführen: Aufgrund der schlechten Menschenrechtslage wurden vormals geltende Zollvergünstigungen für kambodschanische Produkte reduziert oder vorübergehend aufgehoben. Im März 2023 hat das EU-Parlament in einer Resolution zudem beschlossen, weitere Handelspräferenzen abzubauen und Kambodscha aufgefordert, politische Verfolgungen einzustellen und Gefangene freizulassen.
Gleichzeitig wird in Soeur Moms Fabrik von den Näher*innen verlangt, schneller zu arbeiten, um in der gleichen Zeit mehr Kleidungsstücke herzustellen. «Das Management klagt über Auftragsausfälle, gleichzeitig setzen sie uns aber immer höhere Produktionsziele.» Das Paradoxe ist: Durch die Erhöhung der Produktionsziele wird der Preisdruck an die Näher*innen weitergegeben. Erreichen die Arbeiter*innen das Ziel auch nur an einem Tag in der Woche nicht, entfällt die wöchentliche Bonuszahlung für alle in der entsprechenden Produktionslinie. Ein Zusatzverdienst, auf den aufgrund des tiefen Mindestlohns von 200 US-Dollar alle angewiesen sind. Eine der Folgen: Wie fast alle Textilarbeiter*innen in Kambodscha sind auch Soeur Mom und ihre Kolleginnen verschuldet: Kambodscha ist eines der Länder mit der höchsten durchschnittlichen Pro-Kopf Verschuldung gemessen am Jahreseinkommen.
WIDERSTAND ORGANISIERT
Trotz der repressiven Haltung ihres Arbeitgebers lassen sich Soeur Mom und ihre Gewerkschaftskolleginnen nicht unterkriegen: «Wir haben einen Protest in der Fabrik organisiert, um gegen die hohen Produktionsziele anzukämpfen. Wie kann es sein, dass die Firma über Auftragsausfälle klagt, aber uns über ihre Profite im Dunkeln lässt und weitere Fabriken eröffnet?»
Wie in Kambodscha üblich, buhlen diverse Gewerkschafen in Soeurs Moms Fabrik um die Gunst von Mitgliedern. Darunter tummeln sich aber auch viele sogenannte «Yellow unions»: Diese Gewerkschaften sind entweder mit der Regierungspartei verbandelt oder werden vom Arbeitgeber kontrolliert. Nicht so CATU. Moms Kolleginnen bekräftigen: «CATU ist unabhängig und steht für die Interessen von uns Arbeiter*innen ein.»
Wenn Sie sich jetzt fragen: «Was kann ich unternehmen, um Arbeiter*innen wie Soeur Mom und ihre Kolleg*innen zu unterstützen?», hat die mutige Frau einen konkreten Vorschlag:
Kritisches Nachfragen, Insistieren und Nachhaken bei Herstellern und in den Läden kann in der Summe etwas bewirken! Eine Möglichkeit dazu gibt es gleich hier:
«Konsument*innen können Druck auf die Modefirmen ausüben. Diese stehen in der Verantwortung, uns menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu garantieren.»
PETITION AN NIKE: JUST DO IT!
Seit kurzem läuft der Blockbuster «Air», welcher die Geschichte hinter dem ikonischen Nike-Schuh erzählt, in den Kinos. Während der Film dem Milliardenkonzern eine gratis-Werbefläche zur Verfügung stellt, warten 1'284 Arbeiter*innen des kambodschanischen Nike-Zulieferers «Violet Apparel» auf gesetzlich geschuldete Kompensationszahlungen von 1.4 Millionen USD. Die Fabrik schloss Juli 2020 und entliess alle Angestellten Knall auf Fall. Auch CATU kämpfte an vorderster Front für die Kompensationszahlungen. Fordern Sie Nike auf, seine Verantwortung wahrzunehmen! Danke!
