Krieg in der Ukraine: Mehr als Überleben
Solidar Suisse unterstützt Veteran*innen und Gemeinschaften in der Ukraine und schafft nachhaltige Zukunftsperspektiven.
Text: Nataliia Rudyka, Projektkoordinatorin und Katri Hoch, Programmleiterin Ukraine
«Nach dem Krankenhaus beginnt der schwierigste Teil: allein zu sein mit einem Körper, der nicht mehr gehorcht», sagt Viktor M., ein ukrainischer Kriegsveteran, der schwer verletzt wurde. «Aber die Leute von Right to Protection haben mich durchgetragen.» Seine Worte stehen stellvertretend für viele, die nach dem Krieg nicht nur körperlich, sondern auch seelisch kämpfen. Die Zahl der Kriegsveteran*innen in der Ukraine ist inzwischen auf über 1,2 Millionen gestiegen – eine der höchsten seit dem Zweiten Weltkrieg. Viele von ihnen kehren in ein ziviles Leben zurück, das kaum auf sie vorbereitet ist. Sie kämpfen mit Traumata, Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung und familiären Spannungen, doch Unterstützungsangebote fehlen weitgehend. Besonders in den Gemeinden gibt es kaum Fachkräfte, die ihre komplexen Bedürfnisse verstehen.
Ein Programm für Kriegsverteranen
Deshalb hat Solidar Suisse ein umfassendes Unterstützungsprogramm für Veteran*innen und ihre Familien entwickelt. Es bietet psychologische Betreuung, rechtliche Beratung und individuelles Fallmanagement. «Ich habe nicht aufgehört, meinen Sohn zu lieben, aber ich bestrafe mich nicht mehr jeden Tag selbst», sagt Mykola N., dessen Sohn im Kampf gefallen ist, nach mehreren Sitzungen mit einer Psychologin.
Solidar Suisse bietet auch mobile Pflegedienste, die Menschen mit Behinderungen helfen, Mobilitätsbarrieren zu überwinden. Und finanzielle Beiträge ermöglichen den Menschen, ihre Bedürfnisse zu decken. «In meinem Alter ist es schwer, alles allein zu schaffen », sagt die 72-jährige Nadiia K., die Tierfutter und landwirtschaftliche Hilfsgüter erhielt. «Sie kamen, halfen und lächelten – das bedeutet mehr als nur Hilfe.»
«Ich habe zum ersten Mal das Gefühl, mit meiner Erfahrung nicht allein zu sein.»
Neben individueller Unterstützung setzt Solidar Suisse auf sozialen Zusammenhalt. In abgelegenen Gemeinden werden Aktivitäten organisiert, die Veteran*innen, ihre Familien und Nachbarinnen zusammenbringen. «Ich habe zum ersten Mal das Gefühl, mit meiner Erfahrung nicht allein zu sein – sie hören nicht nur zu, sie verstehen», sagt Veteranin Olena M. Ein Beispiel für gelebte Solidarität ist Artem M. – selbst Veteran und Sozialarbeiter. Als seine Gemeinde unter Wassermangel litt, organisierte er eigenständig die Reparatur der lokalen Versorgung. Für Inna S., deren Sohn im Krieg vermisst wird, war das ein Wendepunkt: «Zu wissen, dass ein Team hinter einem steht, verändert alles.»
Solidar Suisse sorgt dafür, dass Veteran*innen wie Viktor M. beim Wiederaufbau in der Ukraine nicht vergessen werden, sondern daran mitwirken.
Gewalt vorbeugen, Gemeinschaft stärken
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Prävention von geschlechtsspezifischer Gewalt. Trainings schärfen das Bewusstsein und fördern die gewaltfreie Kommunikation in Familien, die durch den Krieg belastet sind. Gleichzeitig werden Gemeindemitarbeitende geschult, damit sie Gewalt frühzeitig erkennen und angemessen eingreifen können. Trotz begrenzter regionaler Präsenz erhält Solidar Suisse Hilfegesuche aus dem ganzen Land – ein deutliches Zeichen für den hohen Bedarf. Wir setzen auf lokale Partnerschaften, Teilhabe und Gleichberechtigung. Viele unserer Partnerorganisationen beschäftigen selbst Veteran*innen – Menschen, die wissen, was es heisst, sich zurück ins Leben zu kämpfen. So begleiten wir Veteran*innen und besonders schutzbedürftige Gruppen auf ihrem Weg vom Überleben in eine Zukunft, in der alle ihren Platz haben.
Unser Magazin Soli
Weltweit häufen sich lang anhaltende Krisen und werden immer komplexer. Naturkatastrophen treffen auf eine bereits durch Konflikte geschwächte Bevölkerung. Politische Entscheidungen und gekürzte Mittel verschärfen die Not. Doch die Welt schaut oft zu schnell wieder weg. Solidar Suisse setzt auf lokale Partnerschaften, Ausdauer und Menschlichkeit – gegen das Vergessen, gegen die Stille nach der Katastrophe. Denn echte Veränderung braucht nicht nur Nothilfe, sondern Zeit, Vertrauen und Präsenz. Nur so kann Hoffnung und Widerstandskraft wachsen.
Erfahren Sie in der neuen Soli, wie wir die von Krisen betroffene Bevölkerung unterstützen.