Vertriebene Schicksale

Unterstützten Sie jetzt geflüchtete Menschen weltweit!

Beitragsinformationen

Weltweit befinden sich 100 Millionen Menschen auf der Flucht. Anlässlich des Weltflüchtlingstags am 20. Juni macht Solidar Suisse auf die Situation von geflüchteten Afghan*innen in Pakistan aufmerksam.

Neben dem Krieg, den Putin gegen die Ukraine führt, gibt es im Jahr 2022 zahlreiche weitere Länder, in denen militärische Konflikte oder Kriege ausgetragen – und Millionen von Menschen zu Flüchtlingen gemacht – werden. In Jemen, Somalia, Syrien oder Burkina Faso sind Menschen deswegen gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. So auch in Afghanistan. Seit dem Abzug der US- und Nato-Truppen im Sommer 2021 und der damit einhergehenden Machtübernahme der Taliban regieren Angst und Unsicherheit das Land. Die ohnehin schon unsichere Ernährungslage hat sich weiter verschärft. Die Sicherheitslage verschlechtert sich rapide, was die Versorgung der gefährdeten Bevölkerungsgruppen erschwert. Frauen, Kinder und ältere Personen leiden am meisten unter Hunger. Hinzu kommt eine Zunahme von geschlechtsspezifischer Gewalt. Wer kann, flieht. Nach Angaben des UNHCR suchen noch immer Hunderttausende von afghanischen Flüchtlingen in die benachbarten Länder Zuflucht. Allein in den Iran und nach Pakistan sind bisher Millionen von Menschen geflohen. Offizielle Zahlen sprechen von 1,4 Millionen Afghan*innen in Pakistan. Das UNHCR sagt, inoffiziell seien es sogar drei Millionen.

Anfänge in Pakistan

Um die afghanischen Flüchtlinge in Pakistan zu unterstützen, hat Solidar Suisse 2022 zusammen mit der lokalen Organisation SPADO – Sustainable Peace and Development Organisation – ein Projekt gestartet. In den beiden Flüchtlingssiedlungen Nasir Bagh und Taj Abad in Peshawar werden die Grundbedürfnisse der Geflüchteten aus Afghanistan gedeckt.

Bei einem Besuch von Solidar Suisse macht die Notlage der Geflüchteten in Peshawar sprachlos. Wenn man von der Hauptstrasse in die Slumgebiete von Nasir Bagh abbiegt, sind das Elend, die Armut und die Entbehrungen in der Siedlung spürbar. Überall sieht man die Häuser aus Lehm und die provisorischen Behausungen aus Schrott, Trümmern und Stoff. Kinder laufen ohne Schuhe durch die Strassen. Sie haben keinen Zugang zu Schulbildung, Kinderarbeit ist in den Flüchtlingsgemeinschaften weit verbreitet. Die Menschen verfügen nicht über die nötigen Mittel, um ihre Familien zu ernähren, und haben auch keine Möglichkeiten, ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Afghanische Flüchtlinge leben teilweise schon seit mehr als 40 Jahren – seit der sowjetischen Invasion in den 1980er Jahren – in solchen Siedlungen. Ameenullah Z.* und Dil Jan F.* sind zwei von Millionen Afghan*innen, die nach Peshawar geflüchtet sind. Sie haben uns ihre Geschichte erzählt.

*Namen geändert

Zwei Schicksale aus Afghanistan

Ameenullah Z.

Ameenullah Z. (links) ist 52 Jahre alt und floh mit seinen Kindern und seiner Mutter nach Pakistan.

Die Geschichte von Ameenullah Z.* steht stellvertretend für die Notlage aller Flüchtlinge, die ihre Heimat verlassen mussten. Er lebte mit seiner Familie am Rande von Kundus, einer Stadt im Norden Afghanistans. Vor dem Abzug der US- und NATO-Truppen im August 2021 war sein Leben friedlich. Er arbeitete als Tagelöhner und lebte zusammen mit acht Kindern und seiner Mutter.

Heute gilt Kundus als Taliban-Hochburg. „Wir hatten nicht damit gerechnet, dass die Taliban so schnell an die Macht gelangen würden. Wir dachten, die Zeit des Extremismus sei vorbei. Doch plötzlich fanden wir uns unter demselben Regime wieder, das wir zwei Jahrzehnte zuvor, 2002, für besiegt hielten.“

Mit der Machtübernahme begannen sich die Regeln für die Einwohner*innen von Kundus zu ändern. Geschäfte schlossen, das öffentliche Leben kam zum Stillstand, es war keine Arbeit zu finden. „Wir, die Menschen in Afghanistan, sind in diesem Krieg zum Sandwich geworden. Wir sind ständig in Bewegung, denn in den vergangenen Jahrzehnten gab es keinen Frieden und keine Nachhaltigkeit in Afghanistan“, sagt der 52-Jährige. Ameenullah Z. beschloss, die Stadt zu verlassen. Ein Freund seiner Familie erzählte ihm, dass er nach Pakistan fliehen würde.  tat es ihm gleich. „Wir schlossen unser Haus ab, nahmen nichts mit, und gingen.“ Zusammen mit anderen Flüchtenden fuhren sie in einem Lastwagen drei Tage bis zur pakistanischen Grenze. Sie suchten tagelang nach einer weiteren Mitfahrgelegenheit, um nach Peshawar zu gelangen, weil sie gehört hatten, dass dort viele Afghan*innen leben.

Heute leben Ameenullah Z. und seine Familie bei einer Gastfamilie in einem Lehmhaus. Sie sind auf örtliche Wohltätigkeitsorganisationen angewiesen. Sie alle machen sich Sorgen um die Zukunft. „Früher hatten die Behörden eine entspannte Haltung gegenüber den Flüchtlingen. Jetzt leben wir in einem ständigen Zustand der Angst und Unsicherheit, ohne Hoffnung auf eine baldige Rückkehr in unsere Heimat“, sagt Ameenullah Z.

*Name geändert

Dil Jan F.

Dil Jan F. ist 62 Jahre alt und verliess ihre Heimat Logar mit ihren acht Kindern, als die Taliban die Macht übernahmen.

Frauen sind in jeder Not- und Katastrophensituation die schlimmsten Opfer. Sie sind einem grösseren Risiko von Ausbeutung, Missbrauch, Belästigung und anderen Gefahren ausgesetzt. In Afghanistan müssen sie Schleier tragen und sind in allen Belangen von den Männern abhängig. Es gibt jedoch mutige Frauen, die sich wehren, zum Beispiel um ihre Kinder und Familien zu retten. Dil Jan F.* ist eine solche Frau. Kein Leid, das ihr widerfahren ist, hat sie bisher stoppen können.

Dil Jan F. stammt aus der Provinz Logar in der Nähe von Kabul, Afghanistan. Sie hat acht Kinder, drei Töchter und fünf Söhne, ihr Mann ist vor einigen Jahren gestorben. „Wir lebten friedlich, besassen ein kleines Stück Land, auf dem wir Obst und andere Feldfrüchte für den Eigenbedarf anbauten“, erzählt die 62-Jährige. Als die Krise in Afghanistan 2021 ihren traurigen Höhepunkt erreichte, wurde die Sicherheitslage unberechenbar. Überall war Chaos und da die Provinz Logar in der Nähe von Kabul liegt, herrschten Besorgnis und Angst. Die Märkte wurden geschlossen, die wirtschaftlichen Aussichten wurden düster.

Allein die Vorstellung, ihr Heimatland zu verlassen, machte Dil Jan F. Angst. „Wie sollte ich meine Heimat, mein Land, meine Leute verlassen?“, fragte sie sich. Aber als alle um sie herum davon sprachen, Afghanistan zu verlassen, beschloss auch sie, zu gehen. Im Februar 2022 schloss sie sich mit ihren Kindern einer Gruppe von Menschen an, die sich in Richtung der Grenzgebiete bei Peshawar bewegten. „Auf dem Weg befürchteten wir ständig, dass die Taliban uns finden und daran hindern würden, das Land zu verlassen.“

Nach einer langen und gefährlichen Reise, die viele Tage dauerte, erreichten sie ihr Peshawar. Sie kamen in der Gegend von Nasir Bagh an, wo sie sich mit Hilfe von alten Tüchern in der Barackensiedlung notdürftig einrichteten. Sie hatten kein Gepäck dabei. Das Überleben der Familie von Dil Jan F. hängt ausschliesslich von Lebensmitteln und anderen Dingen ab, die von örtlichen Wohltätigkeitsorganisationen und Verwandten bereitgestellt werden. Ihr älterer Sohn versucht jetzt, auf dem örtlichen Obstmarkt Arbeit zu finden, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, aber sie leben in einem ständigen Zustand der Angst und Unsicherheit im fremden Land.

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