Die Textil- und Bekleidungsindustrie gilt als ein wichtiger Motor für die Wirtschaft Bangladeschs. Sie beschäftigt rund 4 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, wovon beeindruckende 55 Prozent Frauen sind. Doch hinter den glänzenden Exportzahlen und Produktionsstatistiken verbirgt sich eine düstere Realität für viele dieser Beschäftigten. Die Mehrheit von ihnen arbeitet in exportorientierten Bekleidungsfabriken, in denen prekäre Arbeitsverhältnisse, niedrige Löhne und Verstösse gegen grundlegende Arbeitnehmerrechte an der Tagesordnung sind.

Eine kürzlich durchgeführte Fallstudie von Solidar Suisse, der OSHE Foundation in Bangladesch und dem europäischen Netzwerk SOLIDAR wirft ein Licht auf die spezifischen Herausforderungen, mit denen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Bangladesch konfrontiert sind. Neben den bereits erwähnten Problemen kämpfen sie auch mit langen Arbeitszeiten, Überstunden, Sicherheits- und Gesundheitsrisiken sowie einem eingeschränkten Recht auf Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen. Dieser Zustand wird durch die Handelspolitik der Europäischen Union weiter verschärft, insbesondere durch das Allgemeine Präferenzsystem (APS) im Rahmen der Initiative «Alles ausser Waffen» (Everything But Arms, EBA). Obwohl diese Massnahmen dazu gedacht sind, Entwicklungsländer zu unterstützen, führen sie oft dazu, dass die ohnehin schon benachteiligten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch tiefer in die Armut gedrängt werden.

In diesem Zusammenhang sind insbesondere Mechanismen wie die geplante EU-Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD), von grosser Bedeutung. Die CSDDD soll sicherstellen, dass globale Liferketten frei von Arbeits – und Menschenrechtsverletzungen sind und unterstreicht damit die Verantwortung der EU, ihre Handels- und Nachhaltigkeitspolitik mit der Realität der Arbeitnehmerrechte in Einklang zu bringen. Es ist entscheidend, dass die EU Massnahmen ergreift, um die negativen Auswirkungen ihrer Handelspolitik auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Bangladesch zu beheben.

In Anbetracht der Tatsache, dass Bangladesch seinen Status als eines der am wenigsten entwickelten Länder (LDC) verliert und der zu erwartenden Auswirkungen wie dem European Green Deal (EGD) und der CO2-Besteuerung ist es von grösster Bedeutung, dass die EU ihre Verpflichtungen zur Unterstützung der Arbeitnehmerrechte in Bangladesch ernst nimmt. Die Fallstudie macht deutlich, dass ein Wandel dringend erforderlich ist, um die Arbeitsbedingungen in der Textil- und Bekleidungsindustrie von Bangladesch zu verbessern und den gerechten Übergang zu fördern.

Passend dazu fordert das europäische Netzwerk SOLIDAR mit der Kampagne “Global Just Transition: Not Just (E)U” die EU-Institutionen auf, dass der nächste European Green Deal eine starke externe Dimension hat und niemanden zurücklässt.