Menschenhandel zwecks Onlinebetrugs. Eine neue Form von moderner Sklaverei hat in den letzten Jahren vor allem in Südostasien stark zugenommen.

Wer die Quoten nicht erfüllt, wird misshandelt: geräumte Scamfabrik auf den Philippinen.

Eingesperrt und ausgebeutet

«Die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität entwickelt sich schneller als je zuvor», sagt Rebecca Miller vom Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC), die sich seit gut zwei Jahren intensiv mit Onlinescamming beschäftigt. Die Betroffenen werden mit falschen Versprechungen rekrutiert und dann auf Firmenarealen eingesperrt, wo sie zum Beispiel mittels gefälschter Identitäten persönliche Informationen wie Passwörter, Bankdaten oder Kreditkarten-Informationen beschaffen müssen. «Mit dieser Form des Menschenhandels werden Milliardenprofite gemacht», sagt Miller. So haben Recherchen von UNODC ergeben, dass die Scamindustrie in einzelnen Ländern der Mekong-Region zwischen 7,5 und 12,5 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet, was der Hälfte des Bruttoinlandsprodukts des jeweiligen Landes entspricht.

Hotspot Kambodscha

In Kambodscha wurden nach Schätzung der Uno allein im Jahr 2023 mehr als 100’000 Zwangsarbeiter*innen in Scamfabriken festgehalten. Die Rekrutierung läuft online: «Es werden Jobangebote auf Facebook oder Instagram geschaltet, die aussehen wie die von Online-Verkaufsagenturen oder Versicherungen», erzählt Brandy York, die als unabhängige Beraterin für die Solidar-Partnerorganisation Central in Kambodscha arbeitet. «Die Leute bewerben sich, Reise, Visa, Unterkunft etc. wird für sie arrangiert, und sie werden direkt aufs Areal gebracht.» Manche vermuten wohl, dass es sich um eine Tätigkeit im Graubereich handeln könnte, aber es ist ihnen nicht klar, dass sie ihre Bewegungsfreiheit verlieren werden: «Sie erfahren erst bei der Ankunft, was sie konkret tun müssen», fährt die Rechercheurin fort. «Ihnen wird der Pass weggenommen, sie werden eingesperrt und bewacht. Wenn sie sich weigern oder ihre Quoten nicht erfüllen, werden sie geschlagen oder sogar gefoltert.»

Verschuldet und misshandelt

Korruption verhindert Massnahmen

Zur Prävention braucht es unter anderem Sensibilisierungskampagnen in den Herkunftsländern, wobei die Medien eine Schlüsselrolle spielen. In vielen Ländern verhindert die Korruption ein entschlossenes Vorgehen, deshalb hat UNODC in Südostasien 2024 ein Netzwerk von sieben Ländern etabliert, um die Bekämpfung von transnationaler Kriminalität besser zu koordinieren. Doch Rebecca Miller sieht auch die Zielländer der Cyberkriminalität wie Europa oder die USA in der Pflicht, zum Beispiel, indem sie die Rolle der Banken aufdecken. «Ich habe in meinem 25-jährigen Berufsleben noch nie eine solche Brutalität gesehen», sagt Rebecca Miller zum Schluss des Gesprächs. «Betrug ist nichts Neues, aber der Menschenhandel, die Anzahl Betroffener, die Folter, das Blut an den Wänden – es ist absolut schockierend.»

Unser Magazin Soli

Millionen Menschen sind in Zwangsarbeit oder Zwangsehen gefangen – speziell gefährdet sind Frauen, Migrant*innen und Kinder. Die heutige Sklaverei basiert auf historischen Ungleichheiten und Diskriminierungen und kommt weltweit vor. Am meisten Zwangsarbeiter*innen leben jedoch in Asien – von den jeweiligen Regierungen gerne ignoriert. Auch viele unserer Konsumgüter werden unter sklavenähnlichen Bedingungen hergestellt. Solidar Suisse setzt sich gegen Ausbeutung und für die Rechte der Betroffenen ein.

Erfahren Sie mehr dazu in der neuen Soli zu moderner Sklaverei!

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