Die Kolonisierung überwinden

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Koloniale Strukturen halten sich hartnäckig und prägen auch das 21. Jahrhundert. Wie schlagen sie sich in der Entwicklungszusammenarbeit nieder? Wo steht Solidar Suisse in dieser Diskussion, und was können wir tun, um die Machtverhältnisse abzubauen?

Cartoon von Zapiro.

Lokale Expertise stärken
Neue Denkmuster sind vonnöten. Die unterstützten Menschen sind nicht hilflos. Sie sind Subjekte, nicht Objekte, Akteur*innen ihrer eigenen sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung, nicht Begünstigte. Solidar Suisse versucht dem in den Projekten weltweit gerecht zu werden und es in Text und Bild auf allen Kommunikationskanälen zum Ausdruck zu bringen. Eine interne Bestandesaufnahme für das Jahr 2020 hat ergeben, dass Solidar 50 Prozent des Budgets der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe direkt an lokale Partnerorganisationen weiterleitet, die diese Mittel dann eigenständig umsetzen. Dies ist mehr als dreimal so viel wie der OECD-Durchschnitt. Die EZA muss mehr Wert auf die Expertise von Menschen und Mitarbeitenden legen, welche die lokalen Gegebenheiten gut kennen und Interventionsmöglichkeiten und -strategien im jeweiligen Kontext verorten können. Entscheidungsprozesse in Organisationen der EZA müssen horizontaler und die Praxis der Rekrutierung Mitarbeitender überdacht werden. Braucht es für Studien über den lokalen Arbeitsmarkt oder für Projektevaluationen tatsächlich teure internationale Expert*innen, oder ist ein Team aus lokalen Fachpersonen nicht die bessere Lösung?

Seid selbstkritisch und legt die koloniale Mentalität ab!
Solidar Suisse stellt sich dieser Kritik und fordert vieles davon seit Jahrzehnten. Die Stärkung lokaler Initiativen gehört zu unseren Kernkompetenzen – von unserem Streben nach einer von unten gesteuerten Entwicklungsagenda zeugen fast 200 Partnerschaften mit Basisorganisationen im Globalen Süden. Deshalb beschäftigen wir in unseren Koordinationsbüros in Afrika, Asien und Lateinamerika fast ausschliesslich lokales Personal. In der humanitären Hilfe hingegen kommen öfters internationale Expert* innen zum Einsatz. Denn in humanitären Krisen mangelt es häufig an rasch verfügbaren erfahrenen Expert*innen, und in gewissen Situationen können aussenstehende Fachkräfte humanitäre Prinzipien wie Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit besser umsetzen. Dass die Präsenz einer Schweizer Fachperson mit Erfahrung in den gewünschten Reportingmechanismen die Chancen für die Finanzierung erhöht, ist wiederum einer postkolonialen Prämisse geschuldet. So bleibt viel zu tun. Nicht zuletzt geht es auch darum, unser Verhalten immer wieder selbstkritisch zu hinterfragen. Wie kommuniziere ich als Fundraiser*in oder Kommunikationsverantwortliche* r über die Projekte? Wie spreche ich mit Gewerkschafter*innen in Thailand, Frauen einer Produktionsgenossenschaft in Moçambique, Geflüchteten in Bosnien oder der Bürgermeisterin einer ländlichen Gemeinde in den bolivianischen Anden? Für eine internationale Zusammenarbeit auf Augenhöhe braucht es die Veränderung von Strukturen, Denken, Handeln und persönlichem Verhalten – und ein kontinuierliches Reflektieren darüber. Sollten Sie, liebe Leserin, lieber Leser, diesbezüglich Kritik an unserer Organisation haben, lassen Sie es uns wissen. Wir schätzen Ihre Rückmeldungen.

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