Klimawandel: Kampf ums Überleben
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Reza Ghulam, Projektmanager in Pakistan, und Muhammad Amanullah, Landeskoordinator für Bangladesch · 0 Kommentare
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Pakistan und Bangladesch sind stark vom Klimawandel betroffen, obwohl sie kaum dazu beigetragen haben. Das verstärkt die Ungleichheit.
Das Leben von Arti Bai in einem kleinen Dorf in der Region Sanghar im Süden von Pakistan ist ein ständiger Kampf gegen die Armut und die harte Realität des Klimawandels. Sie verdient den Lebensunterhalt für sich und ihre Familie, indem sie eine halbe Hektare gepachtetes Land bestellt. Doch Naturkatastrophen bedrohen immer wieder ihre Lebensgrundlage. So zerstörten im Jahr 2022 heftige Regenfälle Sanghar; Arti Bais kleines Stück Land wurde überflutet, ihre Ernte vernichtet. Die Fluten liessen die 43-Jährige, wie viele andere in ihrer Gemeinde, ohne Nahrung, Unterkunft und jegliche Mittel zum Überleben zurück.
Nothilfe und eine neue Initiative
Die unmittelbare Zeit danach überlebte ihre Familie dank Nahrungsmitteln und Gebrauchsartikeln, die Solidar Suisse verteilte: «Die Nahrungsmittelhilfe war ein Segen, als wir nichts hatten», erinnert sie sich. Und sie liess sich nicht unterkriegen: Als die Fluten sich zurückgezogen hatten, beschloss Arti Bai, Baumwolle anzubauen, für welche die Region Sanghar bekannt ist. Dafür nahm sie bei ihrem Verpächter einen Kredit auf. Doch dann überzog eine Hitzewelle Sanghar: «Ich hatte mit der Baumwollernte gerechnet, um das Darlehen zurückzuzahlen», sagt Arti Bai, «aber die Hitzewelle hat alles zerstört.» Statt ihre Schulden zurückzahlen zu können, wusste sie nicht, wie sie die nächsten Monate überleben sollte. Sie konnte nicht einmal Weizen für sich und ihre Familie anbauen, da ihr auch das Geld für Saatgut und Dünger fehlte.
Bedrohte Lebensgrundlagen
Eine ähnliche Geschichten wie Arti Bai erzählt Elora Begum aus Cox’s Bazar in Bangladesch: «Ende Mai hat Zyklon Ramel unseren einzigen Brunnen überschwemmt. Wir hatten kein sauberes Wasser mehr, Erwachsene wie Kinder sind deswegen an Durchfall erkrankt. Der Zyklon hat meine Unterkunft beschädigt. Und die Fischer konnten nicht zum Fischen aufs Meer hinausfahren, sodass wir keine Einkünfte mehr hatten.»
Auch in Bangladesch leiden die Ärmsten am meisten unter dem Klimawandel. Viele leben von der Landwirtschaft, die am stärksten betroffen ist: Hohe Temperaturen, Bodenversalzung und Überschwemmungen könnten bis 2050 zum Verlust eines Drittels der Produktion führen. Das Land mit seinen tief liegenden Gebieten und Flusslandschaften nimmt Platz sieben auf dem Global Climate Risk Index ein. Bis 2050 wird der Klimawandel in Bangladesch gemäss Schätzungen 13,3 Millionen Menschen vertreiben; in bedrohten Küstengebieten ziehen bereits heute etwa 2000 Menschen pro Tag in Richtung Stadt. Hier kommt es zu Protesten und Demonstrationen, wenn die Regierung Klimageflüchtete aus den Slums vertreiben will.
Nach heftigen Regenfällen waten Frauen in Bangladesch zu ihren überschwemmten Häusern, die nicht mehr bewohnbar sind.
Klimawandel verstärkt die Ungleichheit
Im pakistanischen Sanghar tragen insbesondere ethnische Minderheiten die Hauptlast des Klimawandels. Während wohlhabendere Bäuer*innen in Bewässerungssysteme oder klimaresistente Nutzpflanzen investieren können, haben Kleinbäuer*innen wie Arti Bai diese Möglichkeit nicht. Und sie haben oft keine Ressourcen, um sich von Katastrophen zu erholen. Für sie bedeutet der Verlust der Ernte Hunger, wachsende Verschuldung und den Zusammenbruch ihrer Lebensweise. Arti Bai drückt es so aus: «Wenn die Hitze oder die Fluten kommen, verlieren wir alles. Die Grundbesitzer können warten, aber wir nicht.»
Arti Bais Unfähigkeit, ihr Darlehen zurückzuzahlen, ist nur ein Beispiel, wie der Klimawandel den Kreislauf der Ungleichheit vertieft. Die Nothilfe, die Solidar Suisse nach den Überschwemmungen 2022 leistete, ist überlebenswichtig, aber nicht genug. Deshalb unterstützten wir die Bäuer*innen nun beim nachhaltigen Wiederaufbau ihrer Existenzgrundlagen.
Stille Geldgebende
Auch in Bangladesch brauchen die Menschen Unterstützung, um sich an das veränderte Klima anzupassen. Solidar Suisse arbeitet in Cox’s Bazar und Chattogram mit den am stärksten Betroffenen zusammen, damit sie ihre Ernährung sicherstellen und sich für zukünftige Katastrophen wappnen können. Ausserdem haben wir zusammen mit anderen Schweizer NGOs und der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit ein Konsortium gebildet, um die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu bekämpfen. Denn obwohl Bangladesch nur minimal zu CO2-Emissionen beiträgt, hat das Land durch Wirbelstürme und Überschwemmungen finanzielle Verluste von etwa 3,2 Milliarden US-Dollar pro Jahr zu tragen. So sind die Menschen im Globalen Süden, die unter der Armutsgrenze leben, die «stillen Geldgeber*innen» für Klimaschäden und Anpassungsmassnahmen, eine Tatsache, die international kaum anerkannt wird.
Unser Magazin Soli
Ungleichheit spaltet die Gesellschaft, verschärft soziale Spannungen und bedroht die Demokratie. In der aktuellen Ausgabe unseres Magazins geht es unter anderem um Gewalt gegen Frauen in Honduras, ausbeuterische Arbeitsbedingungen auf Palmölplantagen in Malaysia; sie beschreibt die Situation von Fabrikarbeiter*innen in Südostasien, den eingeschränkten Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen in Burkina Faso und wie der Klimawandel die Bäuer*innen in Pakistan und Bangladesch betrifft und zu Ungleichheit beiträgt.
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Autor
Reza Ghulam, Projektmanager in Pakistan, und Muhammad Amanullah, Landeskoordinator für Bangladesch
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