Ein Bericht aus der Hölle

Beitragsinformationen

Zwischen März 2021 und April 2022 sind insgesamt 149 Indonesier*innen in den Abschiebezentren auf Sabah, Malaysia gestorben. Dabei handelt es sich vorwiegend um Arbeitsmigrant*innen und deren Familien, welche ohne Papiere in Sabah schuften, oftmals auf Palmölplantagen.

Bereits letztes Jahr hat Solidar Suisse über die katastrophalen Bedingungen in den Ausschaffungszentren in Sabah berichtet. Die Situation hat sich seither nicht verbessert, wie ein im Juni 2022 veröffentlichter Report der indonesischen Koalition für Arbeitsmigrant*innen (Coalition of Sovereign Migrant Workers, KBMB), mit welcher Solidar Suisse vor Ort zusammenarbeitet, aufzeigt. KBMB setzt sich für die Verbesserung der Arbeits- und Lebenssituation von indonesischen Arbeitsmigrant*innen ein, welche die überwiegende Mehrheit auf malaysischen Palmölplantagen darstellen.

Zwar ist die malaysische Palmölindustrie auf die billigen Arbeitskräfte angewiesen, jedoch stellt sie viel zu wenige Arbeitsbewilligungen aus. Oft entziehen die Plantagenbetreiber den Arbeitsmigrant*innen die Papiere. Das zwingt hunderttausende Arbeiter*innen und ihre Familien in die Illegalität, weshalb sie in steter Angst vor Polizeirazzien leben – sowohl bei der Arbeit als auch ausserhalb.

Kriminalisiert und abgeschoben
Nach der Festnahme sind sie der Willkür der Behörden in Sabah ausgeliefert: Die Gerichtsprozesse unterlaufen jegliches Anrecht auf ein faires Verfahren, die Verurteilung erfolgt oft innert weniger Minuten. In den Ausschaffungszentren selbst sind die Arbeitsmigrant*innen und ihre Familien höllischen Bedingungen ausgesetzt. Zwischen März 2021 und Juni 2022 wurden insgesamt 2’191 Arbeitsmigrant*innen von Sabah nach Nunukan im indonesischen Nordkalimantan deportiert, darunter 57 Kinder im Alter von unter 5 Jahren. KBMB sprach mit gut 100 Personen nach ihrer Rückführung nach Indonesien. Ihre Schilderungen zeigen ein schreckliches Bild und menschenverachtende Zustände.

Überfüllte Gefängnisse, inexistente Gesundheitsversorgung – bis zum Tod
In den extrem überfüllten Gefängnissen teilen sich 200 bis 260 Personen eine Fläche von weniger als 100m2 pro Block, viele sehen nie das Tageslicht. Auch Babys und Kinder sind gemeinsam mit ihren Eltern dort untergebracht. Die Gefangenen schlafen auf dem Betonboden und leiden fast ausnahmslos an Schlafstörungen und schweren Hautkrankheiten. Pro Block hat es teils nur eine einzige Toilette. Viele Inhaftierte vermeiden den Toilettengang, bis es nicht mehr geht, obschon das minderwertige, oft abgestandene Essen, bei den meisten zu starkem Durchfall führt. Selbst für schwangere Frauen gibt es keine andere Nahrung.

Die Gesundheitsversorgung in den Zentren ist systematisch inexistent. Weder gibt es Medikamente oder entsprechende Gesundheitsreinrichtungen, geschweige denn medizinisches Personal. Erkrankten Personen wird die Behandlung meist verweigert, wodurch sich ihr Gesundheitszustand noch weiter verschlechtert – bis hin zum Tod.

Auf der indonesischen Seite werden die rückgeführten Arbeitsmigrant*innen in einem Auffangzentrum betreut

Das Auffangzentrum in Nunukan wird von den indonesischen Behörden betrieben

Systematische Menschenrechtsverletzungen, untätige Behörden
Hunderttausende Arbeitsmigrant*innen leiden seit vielen Jahren unter diesen grausamen Zuständen, jedoch bleiben die Behörden auf der malaysischen Seite untätig, obschon der Bericht von KBMB in Südostasien ein grosses Medienecho auslöste. Der Vorsitzende des Migrationsbehörde in Sabah bestritt die Vorwürfe und das malaysische Innenministerium diskreditierte den Bericht vor den Medien. Immerhin bewegt sich auf indonesischer Seite etwas, so trafen sich die indonesischen Behörden mit KBMB und planen, die Ausschaffungszentren in Sabah zu besuchen, um sich ein Bild über die Zustände zu machen.

KBMB forderte das indonesische Aussenministerium auf, ein unabhängiges Komitee unter Leitung der indonesischen und malaysischen Menschenrechtskommission zu gründen, um direkten Zugang zu den Zentren zu haben und den Ursachen auf den Grund zu gehen.

Malaysia: Wichtiger Palmöllieferant für die Schweiz
Malaysia ist einer der wichtigsten Palmöllieferanten für die Schweiz: Gut 20 Prozent respektive 3’260 Tonnen des 2021 in die Schweiz importierten Palmöls stammen aus Malaysia. Als Teil der EFTA verhandelt die Schweiz seit mehreren Jahren über ein Freihandelsabkommen mit Malaysia, welches analog dem Indonesien-Abkommen Zollvergünstigungen für als nachhaltig zertifiziertes Palmöl vorsieht. Der aktuelle Bericht macht überdeutlich, dass es unbedingt Druck auf die malaysischen Behörden, aber auch die Palmölproduzent*innen braucht, welche aus Sabah beziehen – denn das bestehende Migrationsregime höhlt die Menschenrechte systematisch aus.

Bericht der indonesischen Koalition für Arbeitsmigrant*innen (KBMB) - Englisch

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Kommentare

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  • Peter Schöchlin

    Vielen Dank, Herr Eckerlein für diesen Bericht. Es ist ja schon klar, unter welchen sklavenähnlichen Bedingungen in Malaysia gearbeitet werden muss. Es sind unmenschliche kapitalistische Bedingungen, wie fast überall auf dieser Welt. Es wäre an der Zeit, wenn die Mainstream-Medien in der Schweiz konstant über solche Zustände, auch in Afrika bezüglich der Machenschaften der westlichen Konzerne, berichten würden und nicht nur über jeden Furz in den USA von Biden und Konsorten und über den Krieg in der Ukraine.

    • Christian Eckerlein

      Lieber Herr Schöchlin,
      Vielen Dank für Ihre Rückmeldung. Der Dank gebührt vor allem unseren Partnern vor Ort, welche solche Zustände aufdecken und die deportieren Migrant*innen nach Ihrer Rückkehr betreuen, denn zumeist sind diese stark traumatisiert von den Erlebnissen in der Abschiebehaft. Bezüglich medialer Berichterstattung sind wir natürlich ganz bei Ihnen. Wir sind der Meinung, dass diese Problematik unbedingt einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht werden muss, da auch Schweizer Unternehmen Palmöl aus Sabah beziehen. Und natürlich versuchen wir auch immer wieder, dieses Thema in den Medien zu platzieren.

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