Am 25. Juni ist das ILO-Übereinkommen über die Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt in Kraft getreten. Es ist höchste Zeit, denn Gewalt und Belästigung ist weit verbreitet: Kein Land, kein Arbeitsbereich, kein Beruf und keine Position sind immun dagegen. Dies gilt auch für die Schweiz. Weltweit haben den Vereinten Nationen zufolge 818 Millionen Frauen über 15 Jahren privat oder am Arbeitsplatz sexuelle oder körperliche Gewalt erfahren. Das sind 35 Prozent der Frauen im Erwerbsalter. In einzelnen Ländern sind es sogar bis zu 90 Prozent der Frauen. Übergriffe passieren überall: in Textilfabriken, auf Palmölplantagen, in privaten Haushalten.

Die Schweiz hinkt hinterher
Leider gehört die Schweiz nicht zu den ersten sechs Ländern der Welt, für welche die Konvention in Kraft getreten ist. Bis jetzt haben erst Argentinien, Ecuador, Fiji, Namibia, Somalia und Uruguay das Übereinkommen ratifiziert, das 2019 von der Internationalen Arbeitsorganisation ILO verabschiedet wurde. Der Verabschiedung waren mehr als zehn Jahre Lobbyarbeit von Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen sowie drei Jahre Verhandlungen zwischen Arbeitnehmenden, Arbeitgebenden und Regierungen vorausgegangen.

Erst wenn ein Land eine ILO Konvention ratifiziert hat, wird deren Einhaltung bindend. Im Falle einer Nichteinhaltung der eingegangenen Verpflichtungen oder ungenügender Berichterstattung kann ein Land an der jährlichen Internationalen Arbeitskonferenz «an den Pranger gestellt» werden. Im Normenausschuss entscheiden die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen gemeinsam, welche Länder behandelt werden. Interessanterweise haben die Regierungsdelegationen dazu nichts zu sagen. Das ist eine der Besonderheiten der ILO, die mit ihrem tripartiten Aufbau innerhalb des Uno-Systems eine Sonderstellung einnimmt.

Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt beenden
Die ILO-Konvention 190 ist der erste internationale Vertrag, der das Recht aller Menschen auf eine Arbeitswelt ohne Gewalt und Belästigung festschreibt und Wege zur Verwirklichung dieses Ziels aufzeigt. Mit der Ratifizierung steigt der Druck in den Ländern, konkrete Massnahmen zur Prävention und Ahndung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt zu beschleunigen, entsprechende Gesetze zu verabschieden und die nötigen Präventionssysteme und Methoden für einen wirksamen Rechtsschutz umzusetzen.

Gewalt und Belästigung gehören zu den grössten Bedrohungen für menschenwürdige Arbeit – mit enormen menschlichen, sozialen und wirtschaftlichen Kosten. Höchste Zeit also, dass auch die Schweiz sich daran macht dieses wichtige Übereinkommen zu ratifizieren und umzusetzen.

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